Pressebericht

Flüchtling spielt Hauptrolle

Hohenloher Zeitung, 18. März 2017

Flüchtling spielt Hauptrolle

Theater in Fluss inszeniert Fassbinders „Angst essen Seele auf“ und wagt ein besonderes Bühnenexperiment.

Nach Brecht, Molnar, Nestroy, Kornfeld und gleich zweimal Horvath bringt das Theater im Fluss in dieser Saison einen zeitgenössischen Autor auf die Bühne: Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ hat am 7. Juni im Kocherfreibad Premiere. Und damit befindet sich die Künzelsauer Laienspieltruppe in bester Gesellschaft, denn das Melodram, das Fassbinder 1974 mit Brigitte Mira und El Jedi ben Salam in den Hauptrollen verfilmte, steht auf dem Spielplan vieler deutscher Theater – von Halle bis Konstanz, von Bochum bis Berlin.

Kein Wunder: Fassbinders Liebesgeschichte um die ältere Putzfrau Emmi, die den 20 Jahre jüngeren Nordafrikaner Ali heiratet, entbehrt angesichts der Flüchtlingsthematik nicht einer gewissen Aktualität. Regisseur Franz Bäck zieht indes gleich die Bremse: Die Ausgrenzung von Ausländern in den 70er Jahren mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik und Fremdenfeindlichkeit gleichzusetzen, ist ihm „zu einfach und zu billig“.

Innenwelten

Es ist die schnörkellos schlichte Art Fassbinders, die außergewöhnliche Liebesgeschichte von Emmi und Ali zu erzählen, die den Regisseur fasziniert und bei der Bühnenarbeit reizt. Fassbinders Geschichte ist für ihn kein Lehrstück über Ausgrenzung und gescheiterter Integration, sondern ein Melodram einer Liebe, die an kleinbürgerlichen Vorurteilen und Ressentiments zerbricht. Der Blick in Innenwelten verbindet sich dabei mit Brecht´scher Gesellschaftskritik.

Und dennoch ist das Thema Integration durchaus relevant für die diesjährige Theaterproduktion. Denn die Rolle des Ali übernimmt der Syrer George Mangu aus Homs, der seit eineinhalb Jahren in Deutschland lebt. Bereits im letzten Jahr hat er sich wie auch weitere Flüchtlinge auf und hinter der Bühne beim Theater im Fluss engagiert. „Es war nicht dezidierte Absicht, Flüchtlinge einzubeziehen. Sie sind einfach da. Da macht es keinen Sinn, einen Einheimischen als Nordafrikaner zu verkleiden“, sagt Bäck.

Nicht nur, weil die Bürokratie dem Theaterteam noch Probleme machen kann – George Mangus Flüchtlingsstatus st noch nicht anerkannt – und sein Deutsch noch nicht perfekt ist, wird die Zusammenarbeit in der Tat spannend“, wie Bäck einräumt. Denn das Theaterprojekt setzt sich nicht nur intellektuell und im Spiel mit diesen Themen Fremdheit und Integration auseinander. Bei der interkulturellen Zusammenarbeit auf der Bühne „lassen wir uns real auf eine unbekannte Arbeitsweise und neue Begegnungen ein, die das Stück zur gelebten Wirklichkeit werden lassen – und uns mit unseren eigenen Vorurteilen konfrontieren“, fasst Bühnenbildnerin Nina Weitzner die Besonderheit der Produktion zusammen. Darin liegt nicht nur die besondere Chance, real-sozialen Lernens auf der Bühne, sondern auch – wenn das Projekt gelingt – eine Anleitung dafür, „wie man mit Problemen umgehen und Integration leben kann“.

Gewohnheit

Damit wird das Publikum in diesem Jahr in doppeltem Sinn zum Beobachter: der Fassbinder´schen Theaterhandlung auf der Bühne und des interkulturellen Bühnenexperiments des Theaters im Fluss. Auf eine lieb gewordene Gewohnheit wird das Publikum indes diesmal verzichten müssen: aufs Wandern von Szene zu Szene durchs Kocherfreibad. „Der Platzwechsel macht diesmal einfach keinen Sinn“, erklärt Bäck.

Vorverkauf

Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“ geht beim Theater im Fluss am Mittwoch, 7. Juni, um 18.30 Uhr zum ersten Mal über die Bühne des Kocherfreibads. Der Vorverkauf hat bereits begonnen. Für die Premiere sind allerdings nur noch einige wenige Karten verfügbar. Karten sind in dieser Saison auch erstmals in den HZ-Geschäftsstellen Öhringen und Künzelsau sowie im Stimme-Kundencenter K 24 in Heilbronn erhältlich, aber auch weiterhin bei Tabak-Brückbauer in Künzelsau und Presse-Turber in Ingelfingen sowie online unter www.theater-im-fluss.com

Autor: Barbara Griesinger