Pressebericht

Verfremdung schärft Blick für Wesentliches

Hohenloher Zeitung, 12. April 2016

Verfremdung schärft Blick für Wesentliches

Nina Weitzner, Ausstattungsleiterin von Theater im Fluss, verbindet Phantasie mit Realismus

Überzeichnete, verfremdete Masken, Figuren, die fast schon Karikaturen sind: Ausstattungsleiterin Nina Weitzner von Theater im Fluss in Künzelsau verpasst ihren Darstellern nicht einfach nur Kostüme. Für sie sind Masken, Übertreibungen und Verfremdungen auch Hilfsmittel, die den Schauspielern den Weg in die Rolle erleichtern. Jedes Stück erfordere neue Überlegungen zu Bühnenbild, Maske und Kostümen, so betont die gebürtige Berlinerin. Deshalb wird die Ausstattung für das neue Stück „Die Unbekannte aus der Seine“ von Ödön von Horváth (Regie: Franz Bäck), das am 2. Juni Premiere hat, auch nicht mit den üppigen Masken von „Jud Süss“ in 2015 vergleichbar sein. „Es wird keine Masken geben. Weil es einfach nicht passen würde“, sagt die Ausstattungsleiterin. „Ich suche im Theater immer nach Verfremdung“, beschreibt sie einen Grundsatz ihrer Arbeit. Gleichzeitig strebt sie Realismus an. Dies sei wichtig, „damit es sich übertragen lässt auf unser heutiges Leben“.

Körperlichkeit

Die Person des Schauspielers wird gewissermaßen eingearbeitet. „Das spielt immer eine große Rolle, sogar, wenn es so extrem ist, das es Masken gibt. Dann denkst du erst mal nach über die Körperlichkeit desjenigen. Die Art und Weise der Gestik, schauspielerisches Vermögen, darüber, was jemand auch in der Lage ist, zu füllen, zu verkörpern. Ein Kostüm kann natürlich auch sehr helfen. Wenn jemand nicht in der Lage ist, etwas ganz Majestätisches zu präsentieren, bekommt er dementsprechend das Kostüm, dass er diese Würde dann hat.“

Als freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin hat Nina Weitzner überwiegend mit professionellen Schauspielern gearbeitet. Doch gerade die Arbeit mit den Laien von Theater im Fluss hat für sie einen besonderen Reiz. „Es gibt vielleicht am Profitheater ein bisschen mehr Hinterfragung. Wenn man das Konzept vorstellt, dass mal der eine oder andere was fragt. Vielleicht sind sie auch geübt, sich intelektuell mehr mit einem Stück auseinanderzusetzen. Da lassen sich die Darsteller hier doch mehr überraschen oder sozusagen heranführen an die Denkweise. Aber im Großen und Ganzen finde ich den Unterschied gar nicht so groß. Ich finde den Umgang hier auch recht professionell.“

Freiheit

Einen wesentlichen Unterschied zwischen der Arbeit an einer professionellen Bühne, wie zum Beispiel einem Stadttheater, und Theater im Fluss sieht sie doch: Gibt es an professionellen Bühnen „riesige Abteilungen“ für Ausstattung, Bühnenbild und Maske, muss in Künzelsau alles von einer sehr kleinen Zahl an Personen gestemmt werden. Auch sie greift dann zum Akku-Schrauber.

Aufgewogen wird diese große Belastung für das ganze Team durch ein hohes Maß an Freiheit bei der Inszenierung. Und: Durch die inzwischen jahrelange Zusammenarbeit mit Regisseur Franz Bäck und der musikalischen Leiterin Eva-Maria Schneider-Reuter sind die grundsätzlichen Abläufe klar. „Überflüssiges muss nicht mehr abgeklärt werden“, sagt Nina Weitzner, die 2007 bei der internationalen Kritikerwahl der Fachzeitschrift „Die Opernwelt“ zur „Kostümbildnerin des Jahres“ gekürt worden war.

Termine

„Die Unbekannte aus der Seine“ hat am 2. Juni im Kocherfreibad Premiere. Sie ist bereits ausverkauft. Weitere Vorstellungen sind am 4., 9., 10., 11., 15., 17., 18., 24., 25., 26. und 30. Juni. Außerdem am 1. und 2. Juli. Alle Vorstellungen beginnen um 19.30 Uhr. Vorverkauf über Tabakwaren Brückbauer in Künzelsau. Weitere Infos unter www.theater-im-fluss.com.

Autor: Henry Doll