Pressebericht

Bei diesen Festspielen ist alles im Fluss

Hohenloher Zeitung, 19. April 2011

Franz Bäck hat normalerweise einen „gesegneten Schlaf“. Seit ein paar Wochen ist das anders. „Manchmal stehe ich um 5 Uhr auf und bin voller Tatendrang.“ Dann erkennt er sich kaum wieder. Doch besondere Ziele erfordern manchmal auch besondere Wege, und wenn sie in aller Hergottsfrühe beginnen.

Das besondere Ziel von Franz Bäck heißt: Theater machen an einem Ort, an dem noch nie Theater gemacht wurde. Der so fremd erscheint für diese Art des künstlerischen Ausdrucks, dass man sich fragen muss: Kann dieses Experiment gelingen? In Berlin oder Hamburg könnte man sagen: Ja. Aber in Künzelsau? Theater spielt sich hier immer in einem geschlossenen Rahmen ab: im Burghof auf Schloß Stetten. Da war eine Bühne, da war eine Tribüne, da wussten die Besucher, was auf sie zukommt. Jetzt ist alles ganz anders. Es gibt keine Bühne, es gibt keine Tribüne, und die Besucher sollen das Stück nicht nur passiv genießen, sondern darin eine aktive Rolle spielen. Beweglich sein. Beweglich bleiben. Nummerierte Plätze, hölzerne Bänke? Das war einmal.

Spannung

„Meine Spannung ist riesengroß“, sagt Franz Bäck, und streicht sich durch die Haare, die wild in alle Richtungen stehen. Ein Hauch von Abenteuer liegt in der Luft. Der 58-Jährige sieht abgekämpft aus, aber er wirkt aufgeräumt. Um nicht zu sagen glücklich.

Seit 22. März probt er mit seinen zwanzig Laiendarstellern, die bis 2010 im Burghof von Schloß Stetten auf den Brettern standen. Dirigiert von ihm, dem impulsiven Österreicher, der mit dem großen Theater abgeschlossen hat, zurückgezogen auf einem See in Mecklenburg-Vorpommern lebt und bis letzten Sommer Regisseur der Burgfestspiele in Künzelsau war. Es ist ein eingeschworener Haufen. Süchtig nach Theater unter freiem Himmel. Motiviert bis in die Haarspitzen. Eine Saison ohne das geliebte Spiel? Undenkbar. Doch genau diese Zwangspause drohte, der Burggraben wird umgebaut. Also gründeten sie ihren eigenen Verein: „Theater im Fluss“, benannt nach der Spielstätte, der Ungewöhnlichsten, die man sich vorstellen kann. Das macht die Truppe heiß, das spornt sie an. Im Fluss, das heißt aber auch so viel wie: Es ist alles in Bewegung.

Klassiker

Das Stück haben sie mit Bedacht gewählt. Ödön von Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Nichts Schweres, ein volkstümlicher Klassiker, der ideal zum Freibad passt. „Es spielt an einem Fluss und zum Großteil in freier Natur“. So weit die Vorteile. Die Nachteile überwiegen bei weitem, doch sie fügen sich ebenso ideal in das Lebensmotto des Regisseurs: „Nichts, was es zu haben lohnt, ist leicht zu kriegen.“ Zuerst hatte er Zweifel: Schaffen wir das? Mittlerweile sagt er: Ja. Die Probleme mit Technik und Akkustik? „Wir werden beweisen, dass es klappt.“ Auch wenn „Vieles neu erfunden“ werden muss. Und die Besucher? Sind voll integriert. Ein Teil der Szenen. Wie das genau ablaufen wird? „Da sind wir noch auf der Suche.“ Es ist ja ein Experiment. Ergebnis: offen.

Die Proben sind intensiv, jeden Arbeitstag müssen die Laiendarsteller von 19 bis 23 Uhr ran, an den Wochenenden von 14 bis 22 Uhr. „Zwischendrin gibt es furchtbare Abstürze, richtige Krisen. Doch dann plötzlich kommt ein unglaublicher Sprung vorwärts, so wie am 8. April.“ Am 10. Juni feiern die „Flussfestspiele“ Premiere. Bis dahin wird das Freibad-Stück Franz Bäck noch einige Male um den Schlaf bringen.

Hintergrund

Bei Probe live dabei sein

Wie erleben die Besucher das Theater im Freibad? Wo stehen, sitzen, liegen die Zuschauer? Wie werden sie aktiv ins Geschehen einbezogen? Spannende Fragen, die noch zu klären sind. Zum Beispiel am Freitag, 13. Mai, von 19 bis 22 Uhr. Dann lädt der Verein „Theater im Fluss“ alle interessierten Bürger zu einer Probe ein. „Je mehr kommen, desto besser“, sagt Franz Bäck. Anmelden müsse sich keiner, bis zu 300 Leute seien locker drin. Sie können live erleben, wie das ungewöhnlichste Theater entsteht, das Künzelsau je gesehen hat, und sich selbst einbringen.

Autor: Ralf Reichert