Pressebericht

Schauspielkunst am Kocherufer

Heilbronner Stimme, 17. Mai 2011

Neuer Verein „Theater im Fluss“ überzeugt Zuschauer bei seiner ersten Probe

Ist da vor den Umkleidekabinen wirklich die Bühne? Der eine oder andere Zuschauer wundert sich über die Theaterkulisse im Kocherfreibad. Doch die Künzelsauer sind neugierig und nehmen auf den Bierbänken Platz – mehr und mehr. Mehr als 150 Zuschauer wollen wissen, was sich hinter dem „Theater im Fluss“ verbirgt. Am Freitagabend probte der neue Verein, der im Juni sein erstes Stück aufführen möchte, erstmals öffentlich. Und das Publikum musste mitmachen.

Aufgeregt

„Soll ich anfangen? Es ist vier Minuten nach sieben, aber die Leute kommen noch rein“, sagt Regisseur Franz Bäck und blickt sich hektisch um. Die Bänke reichen beinahe nicht. Heiner Sefranek, Erster Vorsitzender des Vereins, blickt gelassen in die Zuschauerreihen. „Wir wollen in Bewegung bleiben und uns weiter entwickeln, deshalb haben wir dieses Experiment gestartet“, erklärt Sefranek. „Außerdem zeigen wir, was passiert, wenn man an einem Ort Theater spielt, das da gar nicht hingehört.“

Auf zwei Bühnen findet die Aufführung statt. Spielstätte eins ist vor den Umkleidekabinen, die zweite direkt am Kocherufer. Sefranek scherzt: „Wer weiß, vielleicht landen wir wie bei den Bregenzer Spielen doch noch im Fluss.“

„Theater verlangt Fantasie – auch von den Zuschauern“, erklärt der Regisseur am Anfang. Auch die Gäste sollen sich in Szene setzen. Die haben es sich inzwischen richtig gemütlich gemacht und trinken Bier. Das gleiche tun auch die Darsteller auf der Bühne. Die erste Szene spielt einem Heurigen oder anders „in einem Besen, wie man in Hohenlohe sagen würde“, ergänzt Bäck. Für die Zuschauer bleibt nicht viel Zeit, um sich zurückzulehnen. „Trink, trink Brüderlein trink“, beginnen die Schauspieler auf der Bühne und das Publikum singt sofort mit, der ein oder andere schunkelt. „Ach, da muss man sich ja auch noch bewegen“, ruft ein Zuschauer und lacht. Der „Mister“ poltert auf die Bühne und gleich wieder herunter. „Haben Sie einen Platz für mich?“ will er von einer Dame wissen, wartet die Antwort aber nicht ab, sondern quetscht sich zu ihr auf die dicht besetzte Bank vor der Bühne. Im Hintergrund zwitschern die Vögel und die letzten Badegäste holen ihre Kleider aus den Umkleidekabinen. Der Amerikaner geht zurück auf die Bühne und – „Stopp“, ruft Regisseur Bäck, der sich bisher zurückgehalten hat. „Nochmal zurück bitte, es ist halt eine Probe“, meint er entschuldigend in Richtung Publikum. Die nehmens mit Humor und singen begeistert bei den „Drei weißen Birken“ mit. Zeit zum Ausruhen bleibt aber wenig. Die Zuschauer müssen mit den Darstellern zur zweiten Bühne direkt am Ufer des Kochers umziehen. „Ein paar starke Herren können ja noch ein paar Bierbänke mitnehmen“, fordert Bäck auf. Nach nur einer Szene dort ist aber Schluss mit der Kostprobe.

Bilanz

„Wir haben noch viel zu arbeiten“, fasst Bäck zusammen und fährt sich etwas unruhig durch die Haare. „Wir brauchen auf jeden Fall noch mehr Tempo.“ Das Publikum ist weniger kritisch. „Sehr außergewöhnlich“, finden Manfred und Evi Strohmaier die erste Probe, die sie neugierig gemacht hat. „Wir werden uns auf jeden Fall das Stück ansehen, endlich hat man auch hier mal etwas, wo man hingehen kann“, ergänzt die Kupferzellerin. „Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen auf die Premiere“, sagt auch Gerhard Metzger nach der Probe. Dass die Darsteller auch das Publikum beteiligen, gefällt dem Künzelsauer richtig gut, und er hat bei den „Drei weißen Birken“ mitgeträllert. Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ feiern am 10. Juni Premiere.

Hintergrund

Theater einmal anders

Die meisten Mitglieder des neuen Vereins „Theater im Fluss“ standen vorher auf der Bühne der Künzelsauer Burgfestspiele Schloß Stetten. Dieses Jahr wird im Burggragen gebaut und ein Probebetrieb ist nicht möglich. Mit der Suche nach einer alternativen Spieltstätte ist die Idee entstanden, gleich einen neuen Verein ins Leben zu rufen. Der Erste Vorsitzende ist Heiner Sefranek. Insgesamt 46 Mitglieder sind derzeit mit dabei.

Autorin: Stefanie Jani