Pressebericht

Mit Haut und Haaren in die Rolle tauchen

Hohenloher Zeitung, 18. Mai 2012

Verein Theater im Fluss probt für Premiere am 1. Juni

Es ist heiß. Vielleicht 30 Grad. Badegäste verlassen das Kocherfreibad. Ruhe kehrt ein – noch. Regisseur Franz Bäck sitzt vor den Umkleidekabinen. Er trägt eine schwarze Hose, ein dunkelblaues T-Shirt und eine Sonnenbrille. Der Hut ist tief ins Gesicht gezogen und er liest ein abgegriffenes Buch von Bertolt Brecht. Als er seine Besucherin wahrnimmt, winkt er freundlich. Es geht in die Sonne. „Folgen Sie mir“, beginnt er und fügt schmunzelnd hinzu: „Völlig angstfrei?“ Das Gespräch dreht sich um Angst – als Mensch und auch als Regisseur. Wie groß ist die Angst bei einer Premiere? Bäck nimmt die Brille ab und blinzelt gegen die Sonne: „Es ist viel mehr die Angst, das Stück nicht verstanden zu haben.“ Mit Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“ hat er sich in diesem Jahr ein besonders anspruchsvolles Stück ausgesucht. Im vergangenen Jahr feierte der neugegründete Verein Theater im Fluss mit Ödön von Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ Premiere im Kocherfreibad.

Herausforderung

Ein Stück von Brecht, dem Theaterdichter schlechthin zu wählen, sei nur logische Konsequenz, betont Bäck. „Das Stück ist mehr als kommunistische Propaganda und erfordert viel Genauigkeit.“ Unterhaltung mit Anspruch und nicht nur bloßes Schauspiel. Das ist Bäcks Ziel. Wie oft er das Stück gelesen hat? Der Familienvater hält inne: „Also ich will nicht prahlen, aber 50 Mal waren es bestimmt und jedes Mal, wenn ich drüber gehe, habe ich immer noch das Gefühl, dass ich noch ein wichtiges Detail entdecke.“ Man müsse jeden Satz verstehen und nicht bloß den Text auf eine der vier Bühnen im Kocherfreibad aufsagen. Geprobt wird jeden Tag. Bei gutem Wetter im Freibad, bei schlechtem Wetter auf dem Mustang-Firmengelände.

Perfektion

Viermal, fünfmal. Unaufhörlich bis zur Perfektion wird Szene für Szene wiederholt. Es geht immer noch besser. Das ist nur eine Philosophie, die die Arbeit des Regisseurs mit dem sympathisch wirkenden Wiener Dialekt auszeichnet, auch wenn seine Worte hart sind: „In drei Wochen dürft ihr wieder hirnlos durch die Gegend laufen.“ Ulrich Lauterbach und Lutz Funke beißen sich durch. Doch es zahlt sich aus. Selbst der blutige Laie im Zuschauerraum merkt, dass sich der Schauspieler weg vom Kocherfreibad hinein in seine Rolle findet. „Gut, wunderbar“, ruft Bäck.

Aber es geht nicht lange gut: „Spielt doch Theater und seid kein Autistenhaufen“, seine Stimme ist bis weit über den Biergarten hinaus zu hören. Ulrich Lauterbach geht auf und ab. Die Anspannung ist groß. Lauterbach hat schon im vergangenen Jahr mitgespielt, kennt die Arbeitsweise des Regisseurs. Bäck bringt jeden einzelnen an seine Grenzen. Das wissen die Schauspieler ebenso wie Bäck selbst. Die Fluktuation innerhalb des Ensembles ist hoch. Marina Vlasova-Jäntsch ist neu. Mit Theater hatte die Ukrainerin bisher wenig am Hut. „Ich war zufällig hier und die Probe hat mich so fasziniert, dass ich geblieben bin und jetzt selbst eine kleine Rolle spiele“, erzählt sie. Bäck erinnere sie an die Männer in ihrer Heimat.

Schauspielhaus Graz, Theater in Salzburg, Westfälisches Landestheater, Theater Heilbronn und jetzt das Kocherfreibad: Bäck scheint Gefallen am Laientheater gefunden zu haben. Wäre die Arbeit mit Berufsschauspielern nicht einfacher? „Es ist viel existentieller. Diese Leute spielen nicht, weil sie Geld verdienen wollen, sondern, um sich weiterzuentwickeln und zu entdecken, wie Theater funktioniert“, so Bäck, der sich selbst als sprunghaft und launisch beschreibt. Wer mit ihm probe, solle sich auch geistig verändern. Er rauft sich die Haare und geht weiter im Text. Am 1. Juni ist Premiere. Und zufrieden ist Bäck noch lange nicht.

Termine und Karten

Am Freitag, 1. Juni, um 18 Uhr beginnt der große Premierenempfang. Wetere Termine sind: Samstag, 2. Juni; Sonntag, 3. Juni; Mittwoch, 6. Juni; Freitag, 8. Juni; Sonntag, 10. Juni; Donnerstag, 14. Juni; Freitag, 15. Juni; Samstag 16. Juni; Mittwoch, 20. Juni; Freitag, 22. Juni; Samstag, 23. Juni. Beginn jeweils 19.30 Uhr. Karten gibt es auf „www.theater-im-fluss-kuenzelsau.de“ auch online.

Autorin: Stefanie Jani