Pressebericht

Das Leben ist ein Rummelplatz

Hohenloher Zeitung, 08. Juni 2013

Das Leben ist ein Rummelplatz

Theater im Fluss feiert mit Molnars „Liliom“ einen rauschenden Premierenerfolg

Hoppla, das Kocherfreibad ist ein Rummelplatz geworden. Schießbude, Losverkäufer, Schiffschaukel, Leierkastenmann, Tanzbär erwarten das Premierenpublikum, noch bevor Franz Molnars Drama um Liliom, den Schiffschaukelbremser und Stadtwäldchenkünstler, und seine gescheiterte Liebe zur sanften, still leidenden Julie beginnt. Wer als Zuschauer zur dritten Premiere des Theaters im Fluss gekommen ist, wird, ehe er sich´s recht versieht, zum Mitspieler gemacht. Schon im Vorspiel zum Spiel steckt ein Riesenaufwand – eine reife Leistung, für Helfer und Schauspieler, die später auf den sechs verschiedenen Bühnen im Kocherfreibad agieren.

Harte Kost

Franz Molnars „Liliom“ haben sich die Laienspieler vom Künzelsauer Theater im Fluss für für ihre dritte Spielsaison ausgesucht. Es geht um häusliche Gewalt, Verbrechen und Selbstmord, vor allem aber geht es um die Unfähigkeit von Menschen, ihre wahren Gefühle zu leben – das Leben ist ein Rummelplatz, auf dem man auch für kleine Freuden und Illusionen teuer bezahlt. Mehr als 100 Jahre nach der Uraufführung ist es noch aktuell – und es ist kein leichtes Stück. Nicht für die Zuschauer, schon gar nicht für die Schauspieler. Schließlich steckt hinter der rauen, mal gewalttätigen, mal großkotzigen Schale von Liliom ein unsicherer Charakter, der seinen eigenen überkandidelten Ansprüchen nicht genügt. Und hinter der sanft und still leidenden Julie verbirgt sich eine Frau, die um keinen Preis ihren Traum vom Glück begraben will. „Wenn ich einen lieb hab´“, sagt sie, „ist mir alles andere egal, auch wenn ich sterb´.“

Herzblut

Können Laienspieler solche Rollen füllen? um es kurz zu machen: Sie können´s. Die Laien in Künzelsau spielen ihre Rollen nicht, sie leben sie: Allen voran Ralf Bürklen und Angela Bayer, die als Julie und Liliom den schwierigsten Part zu füllen haben – und es mit Herzblut tun. Vielleicht könnte Lilioms brutale und Julies romantische Seite stellenweise noch etwas intensiver ausgespielt werden. „Wie man hört, nimmt Regisseur Bäck die Schauspieler hart ran, das zahlt sich aus“, kommentiert Hans Peter van Dorp die schauspielerische Leistung. Sie spricht für intensive Beschäftigung mit den Rollen und großer Bühnenpräsenz bei allen Akteuren. Fast schon professionell: Nadja Hrubesch – ein bisschen vulgär, ein bisschen lasziv, vor allem aber sehr auf ihre eigenen Vorteile bedacht – als Frau Muskat. Matthias Prager brilliert – so hinterhältig wie raffiniert – als Lilioms fieser Freund Ficsur. Und die Belegschaft des himmlischen Kommissariats, in dem – was sonst – Bach als Backgroundmusik ertönt – sorgt mit dezentem Witz für einen Kontrapunkt im Liebesdrama.

Einmal mehr erweist sich auch das Kocherfreibad wieder als Spielstätte mit unheimlichem Potenzial, und das Team vom Theater im Fluss (Ausstattung und Bühnenbau sind wieder in den bewährten Händen von Nina Weitzner und Michael Sanwald) weiß es gekonnt zu nutzen. Der Kocher als Styx, auf dem Liliom ins Jenseits geschifft wird. Ein Oldtimer-Wohnwagen als Behelfswohnung von Liliom und Julie und die inmitten des Flusses etwas entrückte Badeinsel als Szenerie für den Showdown ihrer Verhängnisvollen Liebe sorgen für einen ganz eigenen Flair. So wie das Publikum als Rummelplatz-Besucher gewissermaßen mitagiert, so mischen sich in der Pause die Schauspieler unters Volk und sorgen ihrerseits dafür, dass sich die Ebenen zwischen Sein und Schein mischen – und das kommt an beim Publikum. Die Künzelsauer können stolz sein auf diesen Theaterverein, der mit minimalem Budget großes Theater präsentiert. Und das sind sie auch – das beweist der begeisterte Schlussapplaus. „Empfehlen Sie uns weiter und kommen Sie wieder“, wünscht sich Vereinsvorstand Heiner Sefranek. Da muss er sich keine Sorgen machen.

Termine

Liliom geht noch zwölf Mal über die Bühnen im Kocherfreibad und zwar am 8., 13., 14., 15., 20. bis 23. und 26. bis 29. Juni, jeweils um 19.30 Uhr.

Zitate

„Herzlichen Glückwunsch, das ist so toll, das ist wirklich der Hammer!“

Künzelsauer Kulturbeauftragte Nadine Knödler zu Theaterverein-Chef Heiner Sefranek

„Dass auch wir als Publikum immer in Bewegung bleiben und immer wieder neue Gesprächspartner bekommen, das fasziniert mit beim Theater im Fluss ganz besonders.“

Ursula Berner, Künzelsau

„Unglaublich, dass das Laien sind.“

Hans Peter van Dorp, Künzelsau

„Ich hatte Bedenken, ob die vielschichtigen Gefühle bei Liliom rüberkommen, aber es ist ganz toll gespielt.“

Christa Zeller, Ingelfingen

Autorin: Barbara Griesinger