Pressebericht
Laienspiel, das seinesgleichen sucht
Hohenloher Zeitung, 07. Juni 2014
Laienspiel, das seinesgleichen sucht
Premierenpublikum erlebte im Theater im Fluss eine atemberaubende Nestroy-Inszenierung
„Kunst ist, wenn man´s nicht kann, wenn man´s kann, ist´s keine Kunst“. So bringt Johann Nepomuk Nestroy den Hintersinn des Lebens auf den Punkt. Und genauso spielt die Truppe vom Theater im Fluss Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“: wortwitzig, frech, spielerisch leicht und obendrei noch raffiniert verschwurbelt – großes Theater im Kocherfreibad, gespielt von Laien, die fast schon keine mehr sind.
Verfluchter Kerl
Im Mittelpunkt des Geschehens: Herr Weinberl, Verkäufer beim Feinkosthändler Zangler, der unversehens zum Teilhaber befördert wird. Doch auch der rechtschaffene Weinberl hat „Wünsch´ wie schlecht gestapelte Schraubenpäckchen in einem Leiterwagen“ und will, bevor er als angesehener Kaufmann endet, einmal im Leben ein „verfluchter Kerl“ sein und ordentlich einen drauf machen. Anstatt Zanglers Laden zu hüten, bricht er samt Lehrling incognito auf zu einer Sause in die Stadt.
Matthias Prager gibt seinen Weinberl draufgängerisch und forsch, schlagfertig im Stegreifspiel mitten im Publikum und ist um keine Replik, um keinen Winkelzug, um keinen Hüftschwung verlegen. Christopherl, der zum Verkäufer avancierte Lehrbub, ist sein ständiger Begleiter. Nadja Hrubesch brilliert in ihrer ersten Hosenrolle mit Schopf, Himmelfahrtsnase und unnachahmlicher Mimik. Nach dem Motto „Ich riskier´ nix, aber ich bin dabei“ hat er/sie einen guten Riecher für all´ die Risiken der Juxtour.
Satire
Dieser Jux, den sich die beiden machen wollen, bekommt indes eine ganz eigene Dynamik. So entsteht ein Verwirrspiel aus Hochstapelei, Versteckspiel und Verwechslungskomödie, mit dem Nestroy nicht nur einst sämtliche Unglaubwürdigkeiten damaliger Boulevardstücke (und heutiger TV-Schmonzetten) zur Satire verzerrt, sondern zugleich die Scheinmoral des arrivierten Bürgertums im 19. Jahrhundert auf die Schippe nimmt. Doch die Typen sind zeitlos und auch noch heute unterwegs: Zangler (Ulrich Lauterbach) mit seiner guten Nase für Mammon und Ansehen, ebenso wie dessen konventionsverhaftete „Das-schickt-sich-nicht“-Tochter Marie (Lara Zeller) oder dessen Schwägerin, der selbsternannte Schutzengel der Liebenden, Fräulein von Blumenblatt (Cläre Esche). Nina Weitzner (Ausstattung) hat das Bühnenpersonal nicht nur mit monströsen Riechorganen ausgestattet, die ihre Charaktere widerspiegeln. Sie hat sie auch in bonbonbunt gewandete Mitglieder einer vordergründig zuckersüßen Business- und Bussi-Gesellschaft und die schwarzberockte Bedienstetenwelt geteilt. Allein diese fantasievolle Ausgestaltung der Figuren macht den Theaterabend zu einem Erlebnis. Absolut faszinierend ist indes wie die Truppe mit Nestroys facettenreicher, bis ins kleinste Detail ausgefeilter Sprache umgeht. Die Dialoge sind temporeich und prima getaktet. Der Wortwitz nahezu perfekt getimt. Die Bühnenpräsenz enorm. Ist da mal ein Hänger, wird er souverän aus dem Stegreif umschifft. Da vergisst man schier, dass Amateure auf der Bühne stehen. Die Darsteller – und zwar alle – spielen ihre Rollen nicht, sie leben sie.
Im Nu springt da schon in den ersten Szenen der Funke über. Das Publikum lässt sich auf das Spiel ein, geht mit und verstärkt damit noch die Sicherheit, mit der die Laien auf der Bühne agieren. Regisseur Franz Bäck ist es offensichtlich gelungen, das Beste aus der Truppe herausgeholt. „Sie machen das aus sich heraus. Das ist einfach gut, da ist super“, sagt er und strahlt. Bloß eine Frage bleibt nach dieser Premiere offen: Was soll diese Truppe bloß im nächsten Jahr spielen?
Zitate
„Künzelsau kann stolz sein, so ein Theater zu haben.“
Susanne Schmetzer, Stadträtin in Ingelfingen
„Auf die Premiere fiebert man hin.“
Stefan Neumann, Bürgermeister von Künzelsau
„Da sind einige dabei, die das Zeug zum Schauspieler hätten.“
Ursula Berner, Ehrenbürgerin von Künzelsau
„Die Mühe, die sich hier im Ehrenamt gemacht wird, verdient großen Respekt.“
Jochen K. Kübler, OB von Öhringen a.D.
„Wir waren sehr gespannt, wie die Komödie ankommt.“
Heiner Sefranek, Theatervereinsvorsitzender
Autorin: Barbara Griesinger