Pressebericht

Nestroys Witz zündet noch immer

Fränkische Nachrichten, 2. Juli 2014

Nestroys Witz zündet noch immer

Dass Nestroy-Stücke heute noch immer das Publikum anziehen und bei ihm ankommen, das beweist das „Theater im Fluss“ in Künzelsau, das in seiner vierten Spielzeit „Einen Jux will er sich machen“, in der Inszenierung von Franz Bäck, präsentiert.

„Einen Jux will er sich machen“ ist eine der bekanntesten Possen von Johann Nepomuk Nestroy, dem letzten großen Vertreter des Wiener Volkstheaters. Er schrieb gute, inzwischen klassisch gewordene Gebrauchsstücke. Den großen Volksschauspielern seiner Zeit schneiderte er schöne Rollen maßgerecht auf den Leib, so auch im „Jux“, der in Künzelsau bis 5. Juli gespielt wird.

Wenigstens einmal in seinem eintönigen Kaufmannsleben will der Handlungsdiener Weinberl „ein verfluchter Kerl“ sein. Deshalb beschließt er, das „G´wölb“, nämlich den Kaufladen, zuzusperren und sich, zusammen mit dem Lehrjungen Christopherl, in der Hauptstadt einen Jux zu machen. Die Schwierigkeiten und komischen Zufälle, die sich daraus ergeben, dass der „vermischte Warenhändler“ Zangerl, der Chef der beiden, zur gleichen Zeit in der Stadt auf Brautschau ist, machen den Reiz dieser Posse aus.

Dabei geht es dem dichtenden Schauspieler aus dem vorletzten Jahrhundert um eine kritische Durchleuchtung der bürgerlichen Moral und um den sarkastischen Vergleich zwischen ehrbarem Handelsstand und wenig ehrbar handelnder Menschheit – Themen, die auch heute noch aktuell sind.

Wenn der vaszierende Hausknecht Melchior in seiner Einfalt immer wieder betont: „Das is klassisch“, dann passt diese Charakterisierung nicht unbedingt für die Aufführung von „Einen Jux will er sich machen“ im „Theater im Fluss“ in Künzelsau, die aber „d´ Leut g´ fallen“ hat. Und damit ist zumindest Nestroys Maxime erfüllt: „G´ fallen sollen meine Sachen, unterhalten. Lachen, sollen d´ Leut“.

Wie in diesem Theater üblich, sitzen „d´ Leut“ nicht immer auf demselben Platz, vielmehr heißt es zwischendurch: „Bitte folgen“. Der Schau- und die Sitzplätze werden gewechselt, von einer nach hinten ansteigenden Tribüne vor einer schwarzen Guckkastenbühne zu roten Sitzwürfeln vor einem schwarzen Spielpodest.

Wenn das Ganze nicht „klassisch“ ist, so liegt das daran, dass die Ausstatterin Nina Weitzner und die Maskenbildnerin Jana Fabova meinen, Nestroy in optischer Hinsicht gerecht werden zu müssen. Doch das hat er nicht nötig, denn sein „Jux“ wirkt sozusagen „vom Blatt“ gespielt. So bedarf es keiner aufgesetzten, spitzen Nasen und strohblonder oder wilder Perücken, um die handelnden Personen zu charakterisieren oder zu verfremden. Auch wären „klassische“ oder auch moderne Kostüme besser gewesen als das grelle, bunte, fantsievoll künstlerisch gestaltete Outfit, das manchen Akteur zur Schießbudenfigur macht.

Von diesen Einwänden abgesehen, muss man jedoch dem Regisseur Franz Bäck attestieren, eine modernisierte, durch ihre bilderreiche Sprache noch immer faszinierende Nestroy-Posse einfallsreich, kurzweilig, mit differenzierter Personenführung in Szene gesetzt zu haben. Dabei profilieren sich vor allem Michael Borek als der Geschichte „klassisch“ kommentierende und spielende Melchior, Matthias Prager als „verfluchter Kerl“ Weinberl, Nadja Hrubesch als pfiffiger Christopherl, Ulrich Lauterbach als Zangler, Monika Müller als Madame Knorr, Angela Bayer als Frau von Fische und Cläre Esche als das aus Tausendundeiner Nacht kommende Fräulein von Blumenblatt.

Autor: Dieter Schnabel