Pressebericht

Klare Botschaft ohne falschen Ton

Hohenloher Zeitung, 05. Juni 2015

Klare Botschaft ohne falschen Ton

Verein Theater im Fluss überzeugt mit Tragödie „Jud Süss“ in der Kulisse des Kocherfreibads

Für eine Großansicht das Bild anklicken In der Politik ist es offenbar so wie beim Weltfußballverband Fifa: Die Nummer eins, das Leittier, darf nach Möglichkeit nicht beschädigt werden. Das spürt am Ende auch Jud Süss Oppenheimer am spätbarocken herzoglichen Hofe in Stuttgart: Als der württembergische Herzog Carl Alexander einem Giftanschlag zum Opfer fällt, der eigentlich ihm gilt, muss er dafür büßen, dass der Herzog, ein etwas triebgesteuerter Kerl, zu Lebzeiten viel Geld brauchte. In einem Schauprozess wird Jud Süss verurteilt, dann gefoltert und hingerichtet.

Das Stück „Jud Süss“ von Paul Kornfeld, 1930 uraufgeführt und später von den Nazis als „entartet“ verboten, beleuchtet Aufstieg, Höhepunkt und Fall einer tragischen Figur. Mit Regisseur Franz Bäck an der Spitze wagte sich der Künzelsauer Verein Theater im Fluss in seiner insgesamt fünften Inszenierung an diesen nicht einfachen Stoff. Keine Komödie also in diesem Jahr. „Theater im Fluss wäre nicht Theater im Fluss, wenn wir uns auf ein Thema festlegen ließen“, sagte der Vereinsvorsitzende Heiner Sefranek am Mittwoch vor der Premiere. 330 Gäste waren eingeladen, der Premiere in der unvergleichlichen Naturkulisse des Künzelsauer Kocherfreibades beizuwohnen.

Maske auf, Maske ab

Keine Komödie, gewiss, aber mitunter witzig: Ausstattungsleiterin Nina Weitzner hat den einzelnen Charakteren des Stücks grelle, überzeichnete Masken aufgesetzt. So werden die Typen ironisch überzeichnet.

Immer wieder heisst es im Stück: Maske auf, Maske an. Wann geht es um den Typus, wann um den wahren Menschen? Ein geschickter Regieeinfall. In Jud Süss geht es auch um die Frage, wie Sündenböcke gesucht und gefunden werden. Für Heiner Sefranek ist die Frage der Ausgrenzung „derzeit hoch aktuell“. Und so wird gegen Ende der Inszenierung ein Bruch eingeleitet: Eine Volksmasse, deren Protest von den Landständen inszeniert erscheint, fordert „Deutschland den Deutschen“. Der Bogen zur Gegenwart wird durch Waterboarding-Folter und Demonstranten geschlagen, die nicht nur die Juden, sondern auch Muslime und Griechen für schuldig halten.

Ausgrenzung

Die Botschaft ist klar: Braucht es einen Schuldigen, er lässt sich finden. Vielleicht gehören bald auch die Linkshänder, Autofahrer oder Fleischesser dazu. Die Inszenierung von Franz Bäck ist ohne falschen Ton. Auch ohne falschen Ton in politischer Hinsicht. Theater im Fluss hat sich einen Kraftakt vorgenommen und meistert ihn. Und erntet minutenlangen Applaus, Jubelrufe und Bravos.

In der Hauptrolle brilliert Nadja Hrubesch als Jud Süss Oppenheimer, der stets ein bisschen über den eigenen Erfolg staunt, in letzter Konsequenz aber auf dem politischen Parkett scheitert. Ulrich Lauterbach spielt den Herzog Carl Alexander so wie ihm der Schnabel gewachsen ist, mit sympathischem hessischen Dialekt und einer gewissen Äppelwoi-Schmoddrigkeit.

Zitate

„Bevor Sie sich fragen: Der Gesang war live, das war kein Playback.“

Heiner Sefranek über die Arie, gesungen von Kirsten Lederer

„Der Vorverkauf läuft gut. Das Interesse an unserem Stück ist sehr, sehr hoch.“

Heiner Sefranek

„Ich betrüg´ nicht mehr als andere Leute tun.“

Jud Süss Oppenheimer