Pressebericht

Kreativität peppt schmales Budget auf

Hohenloher Zeitung, 03. April 2018

Kreativität peppt schmales Budget auf

Für jede Theater-im-Fluss-Produktion entwirft Nina Weitzner neue Kostüme – Jacqueline Sefranek hilft bei der Umsetzung

„Fühlt sich gut an. Ein bisschen eng vielleicht. Die Schulterpolster spür´ ich schon“, sagt Cläre Esche, als sie zum ersten Mal in das Kostüm der Anna Fjodorowna schlüpft. Der etwas extravaganten Frau aus Maxim Gorkis „Barbaren“ hat Bühnen- und Kostümbildnerin Nina Weitzner einen Kimono aus festem Baumwollstoff verpasst. „Ich stehe steifer und aufrechter“ umschreibt Cläre Esche die Haltung, in die sie das Kostüm zwingt. Und das passt sehr gut zu Anna, denn „sie ist im Stück nicht gerade die befreite Frau“, sagt sie über die Rolle, die sie beim diesjährigen Stück spielt, mit dem das Theater im Fluss im Juni das Kocherfreibad wieder in eine Freilichtbühne verwandelt.

Perücken mit fast zementierter Haarpracht und Kostüme mit Schulterpolstern, die die Schauspieler einengen, steife Kragen oder überbreite Revers, die ihre Bewegungsfähigkeit begrenzen, hat sich Nina Weitzner für die kommende Spielsaison ausgedacht. Diese Brecht´schen Verfremdungseffekte kommen nicht von ungefähr. „In dem Stück sind alle so unbeweglich. Alles stagniert. Die Welten, die aufeinander prallen, sind festgefahren. Und es gibt im ganzen Stück keine einzige Identifikationsfigur. Das sind keine Menschen, das sind Legomännchen – vollverfremdet“, erklärt Nina Weitzner, warum sie mit ihren Kostümen die Personen des Stücks zu Typen macht.

Verfremdung

„Ich wollte keine historische Inszenierung, sondern war schnell bei Brecht“, erzählt sie. Gorkis Stück soll weder in Russland, noch in Künzelsau angesiedelt sein, sondern „in einem künstlichen Raum“, der „irgendwo in der Zukunft“ verortet ist. Ein bisschen spiegeln die Kostüme das Innenleben der Figuren, ein bisschen sollen sie auch irritieren und Fragen aufwerfen – und zudem sollen sie für den größtmöglichen Kontrast zur banalen Sprache des Stücks sorgen. „Die Sprache ist banal, die Menschen erscheinen banal, aber die Realität, die hinter dieser Sprache steckt, ist alles andere als banal“, so Nina Weitzner. Genau diese Diskrepanz soll durch die Verfremdung noch stärker ins Blickfeld gerückt werden.

Keine ganz einfachen Vorgaben für die ehrenamtlichen Kostümnäherinnen. „Umzusetzen, was Nina Weitzner sich ausdenkt, ist nicht so einfach. Man muss sich in den Kostümen ja dennoch bewegen können“, weiß Modedesignerin Jacqueline Sefranek um den schmalen Grat zwischen Idee und Umsetzung.

Aber genau das macht auch den Reiz bei der Kostümbildnerei fürs Theater im Fluss aus, das obendrein mit einem schmalen Budget auskommen muss. Auf Flohmärkten, Secondhandbörsen sucht sich das Kostümbildner-Team vom Theater im Fluss seinen Kostümfundus möglichst günstig zusammen.

Stöbern

Suchen und Finden mache ungeheuer viel Spaß. Und was an Finanzmitteln fehle, „das wird viel mit Kreativität und Einfallsreichtum ausgeglichen“, verrät Sefranek. Da werden Schulterpolster aus Sitzkissen zugeschnitten. Alte Wahlplakate dienen zur Versteifung von Kostümteilen. Stoffdispersionsfarbe wird noch für zusätzliche eigenwillige Effekte sorgen. „Aus diesem kreativen Umfunktionieren entsteht eine ganz eigene Ästhetik“, sagt sie und da schwingt zurecht etwas Stolz auf die Eigenarbeit mit. Zumal der Countdown zur Premiere tickt: Denn die Uhr am Alten Rathaus tickt erbarmungslos dem ISS-Start entgegen. „Und wir sind sogar noch einen Tag früher dran“, weiß Nina Weitzner.

Kostümbildnerei

„Die Kostümentwürfe von Nina Weitzner sind bis ins letzte Detail auf die aktuelle Theaterproduktion abgestimmt. Zu jeder Produktion des Theaters im Fluss entstehen deshalb stehts eigene Kostüme“, betont Heiner Sefranek, Vorsitzender des Vereins Theater im Fluss. Weder frage man bei anderen Ensembles nach passenden Kostümen oder Kulissen, noch würden einzelne Teile aus den eigenen Produktionen der Vorjahre entnommen. Noch sehen die Kostüme in der Kostümbildnerei vom Theater im Fluss eher unscheinbar aus. Fahlweiß Annas Kimono, unscheinbar braun der Schwitzmantel von Grischa. Aber das bleibt nicht so. Das Publikum kann sich in der Saison 2018 wieder auf viel Farbe auf der Bühne freuen. Dafür sorgt Nina Weitzner mit Stoffdispersionsfarbe, mit der sämtliche Kostüme noch einen besonderen Pfiff bekommen und zugleich dafür sorgen, dass die 23 Personen auf der Bühne leicht zugeordnet werden können..

Autorin: Barbara Griesinger