Pressebericht
Im Labyrinth der Gefühle
Hohenloher Tagblatt, 09. Juni 2018
Im Labyrinth der Gefühle
Der Verein Theater im Fluss Künzelsau bringt mit dem Vierakter „Barbaren“ von Maxim Gorki ein gewagtes Stück auf die Kücherfreibad-Bühne.
Die Literatur soll man sich als einen Mischwald voller unterschiedlicher Bäume vorstellen – große, kleine, alte, junge. Doch welcher Baum soll geschlagen werden? Die Wahl fällt auf die alte Eiche. Gemeinsam wird daran gesägt. Was keiner vorher weiß: In welche Richtung wird sie fallen? Franz Bäck, langjähriger Regisseur des Künzelsauer Vereins Theater im Fluss, weiß im Voraus der Theaterpremiere des Stückes „Barbaren“ von Maxim Gorki, dass er ein Wagnis eingeht.
Die Eiche fällt. Doch nicht in eine Richtung, vielmehr zerbricht sie beim Aufprall und hinterlässt viel Geäst, sprich: ein Publikum, das gespalten auf die Darbietung reagiert. Da ist der Nachdenkliche, der seiner Frau zuflüstert: „Das Stück kann eins zu eins auf Künzelsau übertragen werden.“ Dann der Energische, der die Meinung vertritt, diese schwere Kost sei nichts für einen lauen Sommerabend.
Zurück zum Anfang. Die Szenerie am Kinderbecken des Künzelsauer Kocherfreibades: Ein Mann sitzt am Rand, streckt die Füße ins kalte Nass und träumt von Job und Frau. Die Postbotin fährt mit dem Fahrrad vorbei und grüßt. Sie trifft auf einen Beamten, der stets für einen Plausch zu haben ist. Man schreibt das Jahr 1905. Ort des Geschehens ist in Gorkis Schauspiel eine namenslose Kreisstadt in der russischen Provinz. Dort, wo das Leben Tag für Tag vor sich hinplätschert, soll der Fortschritt Einzug halten. Zwei Eisenbahn-Ingenieure aus der Großstadt werden erwartet, die jedoch auch Liebe und Hass, Verbitterung und Hoffnung mitbringen und das Leben der Bürger auf den Kopf stellen.
Hauptprotagonist ist Ingenieur Tscherkun mit seinen feurroten Haaren. Sein Schreibtisch wurde mittig in der Wiese vor den Zuschauerrängen installiert. Patrick Reinhardt taucht überzeugend in die Rolle des Technikers, der zwischen Moral und Verlangen hin- und hergerissen ist. Seine Frau Anna liebt er nicht mehr, sie ihn jedoch umso mehr. Cläre Esche spielt in ihrem opulenten Kostüm die Aufopfernde und Naive.
Tscherkun ist erst angetan von der stets einen Golfschläger in der Hand führenden Aristokratin Lydia (eine souverän-arrogante Nadja Hrubesch), wendet sich dann aber der kitschig-blond in Szene gesetzten Nadeshda (Angela Bayer verkörpert sie glaubhaft) zu. Die wiederum wird von dem älteren Ingenieur Zyganow (überzeugend gespielt von Peter Faust) und dem liebestollen Arzt und Angler Makarow (Urgestein Ulrich Lauterbach ist witzig) umgarnt. Zwischen den Werbenden und Verzweifelten thront die Aristokratin Bogajewskaja (eine beachtliche Leistung von Ines Köhler) und wettert der Bürgermeister Redosubow (Michael Sanwald könnte in seiner Rolle noch etwas resoluter sein). Am Ende ist nichts gut. Nadeshda erschießt sich. Tscherkun bleibt ratlos zurück – ebenso das Publikum. Es hat das opulent in Szene gesetzte Vier-Gänge-Menü zu verdauen, ds im Nachhinein betrachtet durchaus seinen Reiz hat.
Info
Weitere Aufführungen sind am heutigen Samstag, am 13., 15., 16., 21., 22., 23., 28., 29. und 30. Juni sowie am 4., 6. und 7. Juli jeweils ab 19.30 Uhr.
Autorin: Corinna Janßen