Pressebericht

Zwischen Widerstand und Opportunismus

Hohenloher Zeitung, 23. märz 2022

Zwischen Widerstand und Opportunismus

Theater im Fluss bringt mit „Schweyk im zweiten Weltkrieg“ eines der außergewöhnlichsten Werke Brechts auf die Bühne

Von unserer Redakteurin Barbara Griesinger

Genau zehn Jahre nach dem „Kaukasischen Kreidekreis“, der die Besucher im Kocherfreibad in Künzelsau zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat, steht wieder ein Brecht-Stück auf dem Spielplan des Theaters im Fluss. „Wir freuen uns drauf, wieder Brecht zu spielen. Nicht nur, weil er einer der renommiertesten deutschen Dramatiker ist, sondern weil wir ein Stück von ihm auf die Bühne bringen, das kaum bekannt ist“, sagt Heiner Sefranek, Vorsitzender des Künzelsauer Theatervereins. Über die Bühne im Kocherfreibad geht dann „Schweyk im zweiten Weltkrieg“.

Besondere Brisanz

Brecht hat für sein 1943 geschriebenes Stück Jaroslav Haseks berühmten Soldaten Schwejk aus der k.u.k. Monarchie in die 1940er Jahre versetzt: Hitler bereitet den Russlandfeldzug vor. Die Tschechen und mit ihnen Schweyk leiden im Protektorat Böhmen und Mähren unter dem Naziterror. „Der Krieg in Europa verleiht dem Stück nun eine besondere Brisanz. Das konnten wir nicht vorhersehen, auch wenn Parallelen zwischen der historischen und der aktuellen Situation jetzt fast überdeutlich sind“, räumt Sefranek ein und betont: „Auch wenn unsere Stücke immer einen gewissen aktuellen Bezug haben, ist es nicht unser primäres Anliegen, Politik zu machen.“

Lange vor dem Krieg hat sich das Ensemble für das Stück entschieden. Nach langer Suche. Der Grund: Die Truppe, die im Kocherfreibad auf der Bühne steht, ist mittlerweile elf Jahre älter geworden. „Deshalb suchen wir dringend Nachwuchs“, ist man sich im Vereinsvorstand einig. Sechs Stücke, die sich nicht besetzen ließen, wurden diskutiert, bis Regisseur Franz Bäck Brechts „Schweyk“ wieder in die Hände kam. „Den wollt’ ich schon immer mal machen“, so der bekennende Brecht-Enthusiast. Dass „diese verrückte Geschichte absolut keine Lösung anbietet, dass du nie befriedigt rausgehst, sondern die Geschichte mitnimmst“, das fasziniert ihn an Brecht generell und am „Schweyk“ im Besonderen.

Wenig Spielraum

Aus Haseks naiv-schlitzöhrigen Schelm wird dabei ein „Opportunist der winzigen Opportunitäten“. Denn im Leben in der Diktatur zwischen Lebensmittelrationierung und Überwachung bleibt wenig Spielraum. Und wo beim leisesten Verdacht von Kritik oder Widerstand Verhaftung und KZ drohen, redet sich Schweyk beinah um Kopf um Kragen. Nur dank seiner verwegenen Mischung aus Chuzpe und Untertänigkeit kommt er zunächst ungeschoren davon bei dem Versuch, für sich und seine Freunde das Beste aus einem Leben zu machen, in dem „man leicht so beschäftigt ist mit Ieberlebn, dass man zu nix anderm kommt“.

„Im ersten Moment war ich skeptisch“, gesteht Heiner Sefranek. Schließlich höre sich der Titel nach sehr schwerer Kost an. Aber mit einer Kombination aus Sprachwitz, Ernst, Situationskomik und Sarkasmus nimmt Brecht dem Stück immer wieder die Schwere, selbst wenn das Lachen dann doch fast im Hals stecken bleibt.

Expressive Bildsprache

Der „Schweyk“ gehört zu den aufwendigeren Inszenierungen des Künzelsauer Amateurtheaters, zu der Nina Weitzner eine imposante Bühne mit verschiedenen Ebenen entworfen hat. „Das Schreckliche ist realistisch nicht zu ertragen. Mit einer expressiven Bildsprache versuche ich die Poesie Brechts zu unterstrechen. Ohne den historischen Kontext zu verlassen, soll die verfremdende Ästhetik den Blick erweitern für eine universelle Aussage zu Krieg und Gewaltherrschaft“, erläutert die Kostüm- und Bühnenbildnerin ihre Intention.

Brechts „Schweyk im zweiten Weltkrieg“ ist nicht nur ein brisantes Stück, sondern auch ein Stück mit subtiler Komik, in dem Hitler und seine Granden persönlich auftreten. Durch die zahlreichen Lieder, vertont von Hanns Eissler, ist es obendrein Stück mit nahezu opernhaften Zügen. Für das Ensemble wie für die Profis ist es eine ganz besondere He- rausforderung – und fürs Publikum soll es zu einem packendem Openair-Erlebnis werden.

Termine und Karten

Die Theatersaison beginnt in der Saison 2022 im Juni. Premiere für Brechts „Schweyk im zweiten Weltkrieg“ ist am Mittwoch, 15. Juni, mit Empfang um 18 Uhr. Weitere zwölf Aufführungen folgen am 18., 22., 24. und 30. Juni, sowie am 1., 2., 7., 8., 9., 13., 15. und 16. Juli, jeweils um 19.30 Uhr im Künzelsauer Freibad am Kocher. Karten sind im Vorverkauf zu 19 Euro (ermäßigt 14 Euro) erhältlich über das Ticketportal der theatereigenen Website www. theater-im-fluss.com, bei Tabakwaren Brückbauerin Künzelsau und bei allen reservix-Verkaufsstellen, wie auch mit einem Aufschlag von zwei Euro an der Abendkasse, soweit dann noch Restkarten vorhanden sind. red