Pressebericht

Der Komödie erster Teil

HZ, 15. Juni 2024

Der Komödie erster Teil

Theater im Fluss feiert Premiere mit einer humorigen Inszenierung von „Faust“

Goethes wohl berühmtestes Werk auf die Bühne zu bringen, ist eine Herausforderung. Nicht nur, weil es nie gelingen kann, die ganze Komplexität des Stückes in all seiner Vielschichtigkeit wiederzugeben. Oder weil die Charaktere fast alle denkbaren emotionalen Stadien des menschlichen Daseins durchleben. Oder weil der gereimte Text heutzutage eine sprachliche Hürde darstellt. Oder auch, weil „Faust“ so bekannt ist, dass viele Erwartungen beim Publikum mitschwingen. Dennoch wagt sich Regisseur Thomas Höhne mit einem Laien-Ensemble an dieses Stück – und wird am Ende der Premierenvorstellung des Theaters im Fluss mit tosendem Applaus und Standing Ovations belohnt.

Kein Wunder, schließlich liegt ein unterhaltsamer Abend hinter dem Publikum im Künzelsauer Kocherfreibad. Der eine oder andere mag sich gedacht haben: Das ist gar nicht so schwer und trocken, wie ich das aus der Schulzeit in Erinnerung habe. Und tatsächlich ist genau das die Stärke und Schwäche der Inszenierung gleichermaßen. Einerseits kommt „Faust“ leichtfüßig und gefällig daher. Andererseits fehlt es dadurch bisweilen an Tiefe.

Kniff. Aus der Tragödie scheint eine Komödie zu werden. Das komische Talent des Ensembles nämlich kommt gut zur Geltung, hier zeigen die Schauspieler ihre Stärken. Die Rolle des Mephistos auf drei Paar Schultern zu verteilen, ist ein gelungener Kniff, ähnlich dem doppelten Puck im „Sommernachtstraum“ aus der vergangenen Saison. Alle drei Schauspieler – Jacqueline Sefranek, Angela Bayer und Felix Kaltenbacher – machen ihre Sache gut und verleihen der Figur allein durch ihr jeweils ganz eigenes Spiel verschiedene Facetten.

Dass die Verse hin und wieder durch moderne Ausdrücke aufgebrochen und aufgelockert werden, lohnt ebenfalls. Wenn sich etwa Mephisto beim jungen Faust (Christian Clavadetscher) erkundigt, wie er denn sein Gretchen (Annie Koffler) zu umwerben gedenkt: „Blumen?“ „Zu langweilig“ – Pralinen? – „Davon wird sie fett.“ Das Publikum kichert amüsiert. Ob das immer so beabsichtigt ist? An dieser Stelle: sicher. Insgesamt betrachtet? Wohl kaum.

Da ist etwa Fausts (Uli Stier) Monolog im Studierzimmer, der von der inneren Zerrissenheit der Figur zeugt und den Zuschauer verstehen lässt, aus welchem emotionalen Zustand heraus der Pakt mit dem Teufel zustande kommt. Schusselig und zerstreut wirkt Faust hier vielmehr als am Rande des Suizids. Gretchens kindliche Naivität wiederum wird greifbar, doch bleibt sie in diesem emotionalen Status quo hängen und damit eher blass, während der junge Faust in einem gefühlten Zustand konstanten Zorns über die Bühne eilt. Die gereimte Sprache erweist sich insgesamt als eher hinderlich. Obwohl alle Schauspieler extrem textsicher sind und merkliche Hänger ausbleiben, wirkt mancher Text recht dahergesagt und die Betonung liegt zu sehr auf dem Endreim, während die wahre Bedeutung der Aussage im Versmaß untergeht.

Unterhaltsam. Macht das die „Faust“-Inszenierung beim Theater im Fluss nun weniger sehenswert? Nein. Das Stück unterhält, hat Tempo, ein kreatives Bühnenbild und ausdrucksstarke technische Effekte. Mit Katerina Kraft kann das Team außerdem auf eine herausragende musikalische Unterstützung bauen. Und eines ist auch klar: Vielschichtige Charaktere, wie die in Goethes Klassiker, haben schon ganz andere, professionelle Schauspieler an ihre Grenzen gebracht. Das Laien-Ensemble muss sich hier keineswegs verstecken und zeigt eine mehr als respektable Leistung.

Dass man die Herausforderungen anspruchsvoller Literatur nicht scheut und ihnen gewachsen ist, hat der Verein in der Vergangenheit vielfach unter Beweis gestellt und zum Markenzeichen gemacht. Wie die Faust aufs Auge passt das Stück jedoch nicht zu den Fähigkeiten der Truppe, deren Fans aber sicher nicht enttäuscht nach Hause gehen.

Termine. Das Theater im Fluss Künzelsau spielt 2024 Johann Wolfgang von Goethes „Faust – eine Tragödie“. Nach William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ ist es für Regisseur Thomas Höhne die zweite Saison im Kocherfreibad. Weitere Termine sind am 15., 20., 21., 22., 26., 28. und 30. Juni. Im Juli wird am 3., 5. und schließlich am 6. Juli gespielt. Für die beiden wegen des Hochwassersausgefallenen Termine am 7. und 8. Juni sind die Ersatztermine am 27. Juni und 2. Juli. Infos und Karten: www. theater-im-fluss .com. tak