Pressebericht

„Hauptmann“ statt „Talisman“

Hohenloher Zeitung, 14. Januar 2021

„Hauptmann“ statt „Talisman“

Nach zwei Jahren will das Theater im Fluss wieder auf die Bühne – Leseproben zu Zuckmayers bekanntestem Stück laufen

„Wir hatten ein tolles Stück, von dem wir uns viele Besucher versprochen haben. Die Proben waren schon im Februar weit gediehen. Unsere Schauspieler waren nach einem Jahr Pause voller Begeisterung bei der Arbeit. Die Entwürfe für Bühne und Kostüme waren fertig. Doch Mitte Februar war alles zu Ende“, erinnert sich Heiner Sefranek, Vorsitzender des Künzelsauer Theaters im Fluss, an den hoffnungsvollen Beginn der Spielsaison 2020 und ihr jähes Ende. Mit Johann Nepomuk Nestroys „Talisman“ wollte sich das Amateurtheater wieder die Gunst des Publikums erspielen, das sich mit Gorkis „Barbaren“ 2019 etwas schwer getan hatte.

Collage

„Miteinander etwas auf die Beine zu stellen, miteinander auf der Bühne zu stehen, miteinander den Besuchern einen schönen Abend zu bereiten, das ist für mich das Wichtige am Theaterspielen“, sagt Ines Köhler, Sprecherin der Aktiven im Verein. Dass die Saison nicht zum zweiten Mal ganz sang- und klanglos verhallte, war ihnen deshalb wichtig. Mit einer szenischen Collage aus Samuel Becketts wortlosem Quadrat, einem Ausschnitt aus Nestroys Posse „Häuptling Abendwind“ und der kontrastierenden Lesung der Menschenrechte, brachte sich das Theater im Fluss an zwei September-Abenden in Künzelsau und Öhringen doch noch kurz seinem Publikum in Erinnerung. Und die Mühe hat sich gelohnt: Für die außergewöhnliche Produktion erhielt die Truppe nicht nur viel positives Feedback, sondern auch großzügige Spenden. „Aus dem Elan der Quadrat-Collage erwuchs der wilde Entschluss, dass wir auf jeden Fall 2021 Theater spielen möchten. Auch wenn zu befürchten ist, dass es 2021 aus Sicherheitsgründen eine Einschränkung der Zuschauerzahlen geben wird“, blickt Heiner Sefranek nach vorn.

„Der Talisman“ wird allerdings auch 2021 nicht über die Bühne im Kocherfreibad gehen, da zwei Hauptdarsteller in diesem Jahr aus beruflichen wie privaten Gründen nicht zur Verfügung stehen. „Aber beide brennen für ihre Rollen“, sagt Sefranek, deshalb habe der Theaterverein beschlossen, das Stück um ein weiteres Jahr zu verschieben. Statt des „Talismans“ gibt es 2021 einen Hauptmann für die Hohenloher Freilichttheatergemeinde: Carl Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“ steht bereits seit Jahren auf der Liste der Stücke, die Regisseur Franz Bäck mit der Amateurtruppe auf die Bühne bringen möchte. Nun ist es so weit: Die Leseproben haben bereits vor Wochen begonnen. Mit einer kleinen Weihnachtspause zwischen den Jahren treffen sich Regisseur und Schauspieler seit Ende November einmal pro Woche bei Online-Sitzungen. Sie lesen das Stück gemeinsam, debattieren teils stundenlang über Figuren, Handlung und Rezeptionsgeschichte des Stoffes, der auf einer wahren Begebenheit beruht.

Preußen

Carl Zuckmayer hat das Schelmenstück, das 1906 in der Zeit von Preußens kaiserlichem Glanz und Gloria vor dem Ersten Weltkrieg spielt, Ende der 20er Jahre geschrieben. Das Ende der von vielen ungeliebten Weimarer Republik war absehbar, Agitation und Rollkommandos der Nazis prägten den Alltag in der ersten deutschen Republik immer stärker. Im Mittelpunkt des Stücks um den falschen Hauptmann Wilhelm Voigt steht die Kritik am preußischen Militarismus und Bürokratismus. Kann das heute noch aktuell sein? „Zuckmayers Stücke sind große soziale Gemälde, also richtig gute und wirkungsvolle Erzählungen, die man mit viel Gewinn und Vergnügen heute noch anschauen kann“, sagt Regisseur Franz Bäck. „Er stellt anz einfache Fragen, erspart sich und seinem Publikum aber die allzu einfachen Antworten. Er ist kein Populist. Er beobachtet genau und mit viel Humor das allzu Menschliche und dieser Blick ist zeitlos und jederzeit gültig“, verspricht Bäck den Hohenloher Theaterfreunden ein schwungvoll-freches Sommertheater.

Saison unter Pandemie-Bedingungen

„Es wird Theater pur und naturell“, umschreibt Heiner Sefranek die geplante Saison 2021 beim Theater im Fluss und ist gespannt auf die Atmosphäre im umgebauten Kocherfreibad. Sicher ist bereits jetzt: Die Pandemie wird auch die kommende Spielzeit prägen. Um Hygiene und Abstandsregelungen einzuhalten, werden die jeweiligen Vorstellungen mit weniger Zuschauern als gewohnt über die Bühne ehen. Wenn möglich wird die Truppe zum Ausgleich die eine oder andere Zusatzvorstellung anbieten. Durch den frühen Abbruch der Saison 2020 haben sich zwar hohe Kosten vermeiden lassen, doch die zweijährige Spielpause aufgrund des Umbaus im Kocherfreibad und der Corona-Krise geht nicht spurlos an dem Künzelsauer Theaterverein vorbei. Von Land und Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg hat der Verein zwar Corona-Zuschüsse erhalten, ein Bundeszuschuss ist beantragt. Aber zwei Jahre ohne reguläre Spielzeit und damit ohne Einnahmen schränken den finanziellen Spielraum des Vereins ein. Für die kommende Saison hofft der Vereinsvorsitzende, „dass die Sponsoren nach wie vor dabei sind“, und plant die Spielzeit 2021 sparsam und mit möglichst geringem Bühnenaufwand: Auf eine zweite Bühne wird in diesem Jahr genauso verzichtet wie auf die Zuschauertribüne. Das wird dem Unterhaltungswert indes keinen Abbruch tun. Geplant ist eine schwungvolle Hauptmann-Inszenierung mit Gesang-, Tanz- und Slapstickeinlagen.